Marketing wird menschlicher und ethisches Marketing gewinnt immer mehr an Bedeutung. Moderne Werbung erwartet nicht mehr von Männern, dass sie mit einer üblen Raucherlunge stundenlang durch den Wilden Westen Reiten; Familien müssen sich nicht mehr schlecht fühlen, wenn sie nicht aus Mann, Frau, älterem Sohn und jüngerer Tochter bestehen und die berühmte Dove Werbung mit Frauen jeglicher Hautfarbe und Figur würde heutzutage wohl kaum noch so viel Aufmerksamkeit erregen. Instagram Accounts, die Tipps für ethisches Marketing geben, boomen und vermeintliche Marketing-Gurus wie Dirk Kreuter hauen uns auch nicht mehr vom Hocker. So wenig, dass er die Tickets zu seiner „legendären“ Vertriebsoffensive jetzt sogar kostenlos im Rahmen des Freiheitspaket verschenkt.
Eine Studie von Kirsten Bühl mit dem Titel „Good Marketing“ kommt ebenfalls zu dem Schluss, “das Marketing der Zukunft muss näher, menschlicher und ehrlicher werden”. Es tut sich also was.
Natürlich gibt es immer noch viel zu tun. So hat eine gewissen Kaffeemarke ihre 70er Jahre Werbung mehr oder weniger einfach nur mit besserer Qualität gefilmt und die Wohnung ist immer noch perfekt, die Frisur frisch vom Friseur und die Rollenbilder abgedroschen. Und besonders einige KMUs finden es immer noch witzig, diskriminierende Anspielungen auf ihre Dienstleistungen zu machen. Der Negativpreis „Zorniger Kaktus“ zeugt davon.
Aber schauen wir mal auf unser eigenes Marketing als Unternehmerinnen. Denn Veränderung beginnt bei jedem von uns. In diesem Beitrag möchte ich 5 Vorsätze mit dir teilen, wie wir die Welt mit unserem Marketing ein Stück besser machen können. Und: Ich bin auch nicht perfekt. Diese Vorsätze gelten auch für mich und ich muss sie mir ebenfalls immer wieder in Erinnerung rufen. Dieser Artikel soll also weder von oben herab, noch missionarisch daherkommen. Ich möchte lediglich dazu anregen, dir mal wieder etwas Zeit zu nehmen und dir Gedanken darüber zu machen, ob dein Marketing und deine Werte zusammenpassen.
5 Vorsätze, um die Welt mit ethischem Marketing ein bisschen besser zu machen:
100%-ige Ehrlichkeit
Du bist immer ehrlich in deinem Marketing? Das ist super. Fake-Testimonials, falsche Preise und Studien, die es nicht gibt, werden wahrscheinlich die wenigsten von uns nutzen. Aber sind wir deswegen trotzdem immer zu 100% ehrlich in unseren Marketing-Botschaften? Ich will dich ermutigen, da mal genauer hinzugucken, auch wenn es unangenehm ist.
Ein gutes Beispiel sind, finde ich, Freebies. Natürlich ist dein Freebie hochwertig und hilft auch wirklich (hoffe ich). Aber ist es wirklich „lebensverändernd“, „das Einzige was du brauchst, um…“ oder enthält Versprechen wie „immer“? Das sind finde ich schon Punkte, an denen wir ansetzen können. Hier könnten wir alle ein bisschen mehr Ehrlichkeit (oder nenne es Authentizität, wie du willst) vertragen.
Wie das die Welt verbessert? Zum einen ersparst du dir und deinen Kund*innen Enttäuschungen. Versprichst du ihnen das Heitere vom Himmel (was wir mit Marketingbotschaften gerne mal tun, weil wir es halt so gelernt haben) und sie erreichen das nicht mit deinem kostenlosen Angebot, werden sie eher nicht bei dir kaufen. Zusätzlich geben wir den Dingen wieder ihren Wert zurück. Kostenlose Angebote können helfen und die Augen öffnen, ganz klar. Aber für Claims wie „lebensverändernd“ brauchen wir meist ein bezahltes Angebot. Das muss ja auch gar nicht teuer sein.
Diversität in Text und Bild
Eigentlich ein Basic, aber trotzdem noch nicht weit verbreitet. Wie sehen die Menschen auf deinen Bildern aus? Wie schreibst du? Was kommt dir zuerst in den Kopf, wenn du eine Anzeige mit einem nicht normschönen Menschen siehst? Ist deine Website accessible?
Hier lohnt es sich, mit etwas Demut an die Sache ranzugehen. Selbst wenn du meinst, alles richtig zu machen: Wahrscheinlich ist es nicht so. Wichtiger ist, dass wir offen bleiben, immer weiter lernen und uns Feedback zu Herzen nehmen. Und ein ehrlicher Versuch, diverse Stockphotos zu finden und in deinen Texten zu gendern ist doch schonmal ein Anfang. Und das ist wirklich machbar. Hat übrigens auch keine negativen Auswirkungen in Sachen SEO wie so oft als Ausrede genutzt wird.
Plattformen recherchieren
Der wahrscheinlich schwierigste Vorsatz. Wir alle wissen, dass Mark Zuckerberg, Elon Musk, Clickfunnels Gründer Russel Brunsson und Co nicht unbedingt hier sind, um die Welt zu retten. Trotzdem sind wir mehr oder weniger auf ihre Plattformen angewiesen.
Trotzdem sollten wir, finde ich, versuchen, uns zu informieren. Darüber zu reden. Und eventuell Alternativen zu finden. Klar geht das nicht von jetzt auf gleich. Aber besonders, wenn es an die Wahl eines neuen Tools oder einer neuen Plattform geht, können wir hier eine aufgeklärtere Entscheidung treffen. „You vote with you money“, wie die Schleimi-Marketing-Bros so treffend sagen. Warum das also nicht gegen sie nutzen?
Mängel beheben und nicht erzeugen
Günter Faltin schreibt in seinem Buch über das „Marketing Monster“. Das finde ich sehr beschreibend für das Bro-Marketing. Es entsteht, wenn Mangel nicht mehr nur behoben wird, sondern erzeugt wird. Unsere Angebote sollten FÜR Menschen da sein und nicht gegen sie.
Was das heißt? Wir können und sollten natürlich Schmerzpunkte ansprechen. Sonst verkaufen wir tatsächlich nicht viel. Außerdem müssen unsere Kund*innen ja wissen, ob unser Angebot ihnen tatsächlich bei ihrem Problem hilft. Dazu müssen wir es benennen.
Den Unterscheid macht, wie. Möchte dein*e Kund*in zum Beispiel auf Pinterest starten, hat aber keine Ahnung wie, ist es natürlich okay, dass du was in die Richtung schreibst wie: „Pinterest ist ein Buch mit sieben Siegeln für dich?“. Das spricht die Herausforderung menschlich an.
Hatte dein*e Kund*in hingegen nie Interesse an Pinterest und ihr Business läuft auch so gut, könntest du mit toxischem Marketing einen Mangel kreieren. Hier würdest du dann sowas schreiben wie: „Jedes seriöse Business ist auf Pinterest“, „No pin, no money“ oder „Warum du keine erfolgreiche Unternehmer*in bist, wenn du nicht auf Pinterest bist“. Das erzeugt einen Mangel, wo vorher keiner war. Klar bekommst du dadurch neue Kund*innen, aber ganz ehrlich: Wirklich fair ist das nicht. Und du bist als Unternehmer*in wahrscheinlich hier, um die Welt besser zu machen.
Ein weiteres drastisches Beispiel? Size Zero. Hier wurden Probleme kreiert, wo keine sind. Bridget Jones wurde als dick bezeichnet und nicht nur sie gab dadurch Unmengen an Geld für Diätprodukte aus. Wohin das geführt hat, sehen wir an den hohen Zahlen an Millennials mit Essstörung.
Noch ein Beispiel, wieder etwas weniger extrem: Der berühmte 100.000 € Umsatz. Ohne den geht laut Instagram ja wirklich nichts mehr. Hier werden Sehsüchte kreiert, wo keine sind. Wahrscheinlich warst du vorher immer happy mit deinem Umsatz. Klar, mehr wäre schon nice, aber ich wette, du hattest vor dem 100k Trend NICHT diese Zahl im Kopf. Inzwischen wahrscheinlich schon und du fühlst dich schlecht, wenn du da (noch) nicht bist. Entsprechende Programme lassen sich dadurch also leicht verkaufen. Auch wenn du vorher nicht die Zielperson gewesen wärst.
Mehr Du, weniger Standard-Sales-Geschwafel
Sei du selbst! Wenn wir so sind, wie wir halt sind, mit all unseren Stärken und Schwächen, ist das schon ein bisschen revolutionär. Also, sei auch so in deinem Marketing. Ein Beispiel: Jeder nutzt gerade die Wörter „Leichtigkeit“, „Authentizität“ und „Flow“. Die geben dir aber so gar nichts? Schreib anders! Und auch der beigefarbene Instagram Feed ist nicht der einzige Weg zum Erfolg.
Höre auf dein Bauchgefühl. Geh dein eigenes Tempo, sch*** auch mal auf die Strategie, die du im teuren Onlinekurs gelernt hast, wenn sie sich nicht gut für dich anfühlt und arbeite mit Dienstleister*innen zusammen, die deine Werte teilen und mit denen du auf einer Ebene bist. Es ist dein Business, also gelten auch deine Regeln. Schließlich hast du wahrscheinlich gegründet, um eben nicht Einheitsbrei zu sein, sondern deine eigenen Vorstellungen von einem fairen, nachhaltigen Unternehmen Realität werden zu lassen.
Auf in die Umsetzung
Huh, das musst du erst einmal verdauen? Vielleicht fühlst du dich von dem ein oder anderen Punkt etwas vor den Kopf gestoßen oder bist komplett anderer Meinung. Teile sie gerne mit mir! Ich freue mich auf einen offenen Austausch und deine Sichtweise. Auch wenn du Ideen und Vorschläge für ein besseres Marketing hast, die du gerne teilen möchtest: Immer her damit. Lasst uns voneinander lernen und die Welt gemeinsam verbessern.